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Channel: Körpernormen – Tingler
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Diktat der Schönheit?

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Wie gross ist der Druck wirklich, so auszusehen? Montage: Laura Kaufmann

Wissen Sie, was «Beauty-Standard Denialism» ist oder kurz: BSD, meine Damen und Herren? Darunter ist ungefähr Folgendes zu verstehen: die kulturell allgegenwärtige Verleugnung des Umstandes, dass die Ansprüche an und die Standards für weibliche Attraktivität höher und strikter sind als jemals zuvor in der Zivilisations- und Konsumgeschichte.

So stand es neulich in der «New York Times» zu lesen, angelegentlich einer Besprechung des neuen Amy-Schumer-Films «I Feel Pretty». Weiterhin stand dort: «Der Film suggeriert, dass der einzige Umstand, der durchschnittlich aussehende Frauen in der Verwirklichung ihrer Träume und Karrieren zurückhält, darinnen besteht, dass sie selbst glauben, dass sie durch ihr durchschnittliches Aussehen zurückgehalten werden. Diese Botschaft aber schreibt die Verpflichtung zur Verbesserung des Selbstwertgefühls jeder individuellen Frau zu, anstatt gesellschaftliche Schönheitsstandards und soziale Körpernormen schlechthin zu kritisieren. Die Wirklichkeit sieht so aus, dass die Erwartungen an weibliches Aussehen niemals höher gewesen sind als heute. Es ist bloss zum Tabu geworden, das zuzugeben.»

«Etwas für sich tun»

Diese neue Ideologie der Verleugnung von Schönheitsstandards umgebe uns überall, fährt die «New York Times» fort, sie laufe quasi als hintergründiges Leitmotiv durch Kosmetikwerbung, Monologe von Personaltrainern, Bildunterschriften auf Instagram und auch, zunehmend, durch die Prinzipien des sogenannten Pop-Feminismus.

Dabei sei das Streben danach, dünner, jünger und fitter auszusehen, nicht mehr als oberflächliches Begehren zu verstehen, sondern als eine ethische Bemühung: Es gehe darum, eine bessere Person zu werden, nicht bloss eine attraktivere. Und nur schon die dafür investierten Anstrengungen gelten bereits als Auszeichnung. Denn weil niemand jemals wirklich Perfektion erreichen kann, haben wir nun eben begonnen, das Streben nach Perfektion zu fetischisieren – also als Ausdruck eines gelingenden Lebens zu betrachten. Im Sinne von «etwas für sich tun», und das im doppelten Sinne: Wenn ich aufs Laufband gehe, tue ich was für mich. Wenn ich mich sexy anziehe, tue ich das für mich (also nicht für den oder die anderen). Das wäre dann wahrscheinlich auch schon wieder Pop-Feminismus. Was immer das genau sein soll.

Und jetzt gehen wir in die Badi

Wenn ich zur Korrektheitsfraktion gehören würde, könnte ich einen heteronormativen Sexismus darin erkennen, die Konfrontation mit rigiden Körpernormen immer nur als Problem der (heterosexuellen) Frauen zu klassifizieren. Apropos Korrektheit: Der Artikel in der «New York Times» ist nicht zuletzt deswegen interessant, weil er in politisch korrekten Körperkonzepten wie der sogenannten Body-Positivity nicht etwa eine Lockerung von Attraktivitätsstandards erkennt, sondern ein stützendes Gegengewicht (im Sinne von: zerstreuender Ablenkung) zu rigiden Konformitätsansprüchen. Fazit: «Das Streben nach Schönheit ist letztendlich eine rationale Entscheidung in einer Welt, die Schönheit dermassen grossen Wert beimisst.»

Und jetzt atmen wir mal durch. Und gehen in die Badi. Dort stellen wir fest: Man hat nicht das Gefühl, dass die Terrorisierung durch Körpernormen ganze Daseinsentwürfe ausfüllt.

Der Beitrag Diktat der Schönheit? erschien zuerst auf Tingler.


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